Andrea Köhn / Gisela Wäschle
Erst such dir einen Gefährten, einzelnen Projekte. Vielleicht kann man die entstandenen Arbeiten durchaus als Spuren sehen, die entstehen, wenn auf einer künstlerischen Landkarte weiße Flecken umspielt und erobert werden. Das Arbeiten im Spiegel der jeweils anderen Künstlerin, die Möglichkeit, von sich selbst Abstand zu nehmen, die Frage nach den spezifischen Bedingungen der Kommunikation bei der gemeinsamen Arbeit, das gemeinsame Interesse am Prozess und die Fähigkeit, einen offenen Ausgang nicht als Bedrohung, sondern als Stimulus wahrzunehmen, sind die Grundkoordinaten dieser künstlerisch-freundschaftlichen Weltvermessung. Andrea Köhn, besteht aus zwei zwanzig Meter langen Papierbahnen, die beidseitig mit überbordenden, wasserabweisenden Acryl--Farbschichten überzogen sind. Im Rahmen des Projekts „Freiluft", das zu experimentellen Formen von Kunst im öffentlichen Bielefelder Raum einlädt, wurde dieser geradezu sprichwörtliche gemeinsame künstlerische „Pfad" im Wiesenbachpark installiert und entfaltete dort sein Potential als ein Weg, der Spur und Aufforderung zugleich ist. Kein zentrales Bild, das es in den Punkten Aufbau, Struktur und Komposition zu erfassen gilt, sondern ein Bild, das auf Aufbau, Struktur und Komposition der Umgebung verweist. Er umspielt die Natur, löst sich durch die Installation in Büschen und Wipfeln von der materiellen Logik herkömmlicher Wege und verweist wieder auf die Kraft künstlerischen Denkens. Die Arbeit bricht die Dichotomie von Natur und Kultur auf und führt die (eitle) Vorstellung klischeehaft-intrinsischer Kunstproduktion ad absurdum. Kunst ist auf vielen Ebenen ein gemeinsamer Weg, „künstlerisches Pfadfindertum" darum eine adäquate Arbeitsmethode für Köhn und Wäschle. Dass diese Methode auch im Galerieraum funktioniert, wurde unter Beweis gestellt, als diese Papierbahnen in den kleinen Räumlichkeiten der Bielefelder Produzentengalerie untergebracht waren und die malerischen Pfade auf den Bahnen von den Besuchern aus dem Außenraum mithilfe von Lichtspots nachvollzogen werden konnten. So entstand eine für das Publikum und die Künstlerinnen fruchtbare, kommunikative Situation. einer alten Eisenbahnbrücke, einem „Unort", wie es die Künstlerinnen nennen, installiert. Auch hier wird wieder ein Spiel mit den architektonischen Vorgaben begonnen. Stabilität, die Grundvoraussetzung einer Brücke, um ihrer Aufgabe, zwei Punkte miteinander zu verbinden, erfüllen zu können, wird von Köhn und Wäschle von ihrer rein physikalischen Dimension abgelöst. Aus Funktionsgewebe als Ausgangsmaterial ließen die beiden Künstlerinnen eine Brückenkonstruktion entstehen, die dem Betrachter zunächst Stabilität vermittelte. Bei der Annäherung an das Objekt und durch die Wahrnehmung der spezifischen Materialität wurde dieser Eindruck wieder zurückgenommen. Da die Stoffbahnen jedoch wiederum mit fiktiven Formeln und Konstruktionsberechnungen versehen waren, bekam die Stabilität wieder etwas verunsichernd Glaubwürdiges. Das Interessante dieser Setzungen war die Konfrontation des Publikums mit der Unzuverlässigkeit der eigenen Wahrnehmung – oder anders gesagt: Damit, dass auch Wissenschaftlichkeit ästhetisch erfahren werden kann und somit im Umkehrschluss auch ästhetische Forschungen Anspruch auf Erkenntnisgewinn erheben dürfen. Daniel Neugebauer, 2011 |